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1. Februar 2016
/  Joachim Staab

CMR: Weite Auslegung des Begriffs des aufeinanderfolgenden Frachtführers

Der Hoge Raad hat in den Niederlanden ein wichtiges Urteil¹ zum Begriff der aufeinanderfolgenden Frachtführer nach der CMR erlassen. Er hat entschieden, dass der Begriff weit auszulegen ist. Ein faktischer (ausführender) Frachtführer, der in einer Reihe von Frachtführern das Gut und den Frachtbrief übernimmt, wird nach Art. 34 CMR aufeinanderfolgender Frachtführer. Für ihn gelten die Bestimmungen über die Beförderung durch aufeinanderfolgende Frachtführer (Art. 34 ff CMR). Für Verlader und Hauptfrachtführer ergeben sich nach diesem Urteil weitgehende Regressmöglichkeiten.

Auslegung „aufeinanderfolgender Frachtführer“

Entsprechend Art. 34 CMR müssen für die Annahme von aufeinanderfolgenden Frachtführern drei Bedingungen erfüllt sein:

  • die Beförderung muss Gegenstand eines einzigen Vertrages sein, geschlossen zwischen Hauptfrachtführer und Absender,
  • der Frachtführer muss das Gut und
  • den Frachtbrief übernehmen.

Sind diese Bedingungen erfüllt, wird der folgende Frachtführer „aufeinanderfolgender Frachtführer“ und haftet für die Ausführung der gesamten Beförderung.

Dies gilt auch dann, wenn der Hauptfrachtführer „Papierner Frachtführer“ ist, also den Frachtbrief und das Gut nicht selbst übernommen hat und das Gut nicht selbst befördert hat. Es ist nicht erforderlich, dass der aufeinanderfolgende Frachtführer das Gut und den Frachtbrief vom Hauptfrachtführer übernommen hat.

Ein Unterfrachtführer, der die Anforderungen des Art. 34 CMR erfüllt, wird gleichzeitig aufeinanderfolgender Frachtführer. Es ist nicht erforderlich, dass in der gesamten Kette von Frachtführern jeder Frachtführer auch aufeinanderfolgender Frachtführer ist. Nur wer die Beförderung faktisch selbst ausgeführt und das Gut übernommen hat, wird aufeinanderfolgender Frachtführer.

Gründe für die weite Auslegung des Begriffs „aufeinanderfolgender Frachtführer“

Der Hoge Raad nennt drei Argumente für diese Auslegung:

  • der Wortlaut der Art. 34 ff CMR zwinge nicht zu der Annahme, dass der Hauptfrachtführer und die folgenden Frachtführer jeder einen Teil der Beförderung selbst ausführen müssen. Der Wortlaut von Art. 34 CMR lasse auch die Möglichkeit zu, dass der aufeinanderfolgende Frachtführer Gut und Frachtbrief von einem anderen als dem vorherigen Frachtführer übernimmt, z.B. vom Absender.
  • Sinn und Zweck der Regelung über aufeinanderfolgende Frachtführer sei es, die Rückgriffsmöglichkeiten des Verladers und des in Anspruch genommenen Frachtführers zu verstärken.
  • die weite Auslegung des Begriffs entspreche der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung in den anderen Vertragsländern der CMR.

Rückgriff gegenüber einem aufeinanderfolgenden Frachtführer, Art. 39 CMR

Ein in Anspruch genommener Frachtführer steht ein Rückgriffsrecht gegenüber den anderen an der Beförderung beteiligten aufeinanderfolgenden Frachtführen nach Maßgabe des Art. 37 CMR zu. Art. 39 CMR bestimmt, dass wenn der Hauptfrachtführer Regress beim aufeinanderfolgenden Frachtführer nimmt, dieser nicht einwenden kann, dass die Entschädigung zu Unrecht gezahlt wurde. Voraussetzung dafür ist, dass die Entschädigung durch eine gerichtliche Entscheidung festgesetzt wurde. Weiter muss aufeinanderfolgende Frachtführer vom Verfahren gegen den Hauptfrachtführer ordnungsgemäß informiert worden sein und in der Lage gewesen sein, sich daran zu beteiligen.

Im zu entscheidenden Fall hatten zunächst deutsche Gerichte entschieden, dass der Hauptfrachtführer den Schaden leichtfertig verursacht hatte und deshalb unbeschränkt haftete. Der Hauptfrachtführer nahm den faktischen (ausführenden) Frachtführer, der den Schaden verursacht hatte, als aufeinanderfolgenden Frachtführer in den Niederlanden in Regress. Als Unterfrachtführer hätte er sich auf die niederländische Rechtsprechung zum Begriff der groben Fahrlässigkeit berufen können, die eine Haftungsdurchbrechung beinahe unmöglich macht. Als aufeinanderfolgendem Frachtführer war ihm dieser Einwand nach Art. 39 CMR abgeschnitten.

Bedeutung für die Praxis

Für Verlader und Hauptfrachtführer ergeben sich nach diesem Urteil weitgehende Regressmöglichkeiten. Der Verlader erhält neben dem Hauptfrachtführer einen zusätzlichen Schuldner, den aufeinanderfolgenden Frachtführer der den Verlust oder die Beschädigung verursacht hat. Aber auch für den Hauptfrachtführer, der Regress beim aufeinanderfolgenden Frachtführer nehmen möchte, der den Schaden verursacht hat, ist das Urteil günstig. Nimmt er den aufeinanderfolgenden Frachtführer in den Niederlanden in Regress, kann dieser sich nach Art. 39 I CMR nicht mehr auf die CMR – Haftungsgrenzen berufen, wenn in Deutschland festgestellt wurde, dass er den Schaden leichtfertig verursacht hat.

Voraussetzung dafür ist, dass dem aufeinanderfolgenden Frachtführer im Vorprozess ordnungsgemäß der Streit verkündet wurde. Dieser „Falle“ kann der aufeinanderfolgende Frachtführer entgehen, wenn er im Verhältnis zum Hauptfrachtführer die Rückgriffsregelung der Art. 37 und 38 CMR ausschließt. Nach Art. 40 CMR ist das möglich. Ob dies in der Praxis gelingt, ist eine andere Frage.

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¹HR, 11. September 2015, ECLI:NL:HR:2015:2528, RvdW 2015/955

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Joachim Stab
Rechtsanwalt & Advocaat zu Amsterdam

Herr Staab ist als Rechtsanwalt in Köln und Advocaat in Amsterdam zugelassen. Er berät und führt Prozesse u.a. zum Transportrecht, Vertriebsrecht und internationalen Kaufrecht. Er ist niederländischer Fachanwalt (Grotius) für Transportrecht.

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